Online-Gruppierung "764" und der Fall „White Tiger“
18.07.2025

Bereits zur Festnahme des in Hamburg unter dem Pseudonym „White Tiger“ handelnden zwanzigjährigen Tatverdächtigen am 17.06.2025 stellte der Landesvorsitzende des Bund Deutscher Kriminalbeamter, Jan Reinecke, folgendes fest:
„Der Fall „White Tiger“ macht deutlich, dass wir dringend mehr anlassunabhängige Kriminalitätsbekämpfung im Internet brauchen. Wir brauchen hierfür spezialisierte Kriminalistinnen und Kriminalisten, Kriminalbeamte und/oder Kriminalassistenten, die anlassunabhängig im Internet „Streife“ gehen und auch verdeckte Ermittlungen in Netzwerken, wie dem der „Community 764“, durchführen. Das Ziel muss sein, die Begehung schlimmster Straftaten schnellstmöglich zu beenden, zu verhindern oder aufzuklären.
Der Fall „White Tiger“ ist einer deutschen Landespolizei wieder einmal - von einem ausländischen Dienst (FBI) bekannt gemacht worden. Ist es also dem Zufall überlassen, ob uns derartige Fälle an Schwerstkriminalität bekannt gemacht werden? Häufig leider ja.
Die Frage, warum deutsche Landespolizeien derartige Fälle nicht viel häufiger selbst initiieren, ist leicht zu beantworten. Es fehlt der Polizei an tauglichen Gesetzesvorschriften: Es geht damit los, dass es der Polizei nicht möglich ist, Gesichtserkennung per KI als Ermittlungsmethode einzusetzen. Nur ist die Überwachung des Telekommunikationsverkehrs nahezu nicht mehr möglich. So sind die Telekommunikationsanbieter u.a. weiterhin nicht gesetzlich verpflichtet, Trojaner auf die Endgeräte von Schwerverbrechern zu spielen, um so eine ganzheitliche Telekommunikationsüberwachung zu ermöglichen, wie es das Gesetz der Strafprozessordnung eigentlich vorsieht.
Im Zeitalter der Smartphones und Apps sind die Überwachungsmöglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden in der technischen Steinzeit stehengeblieben bei der Überwachung von Telefonie und SMS-Nachrichten und die Täter der organisierten Kriminalität, des Cybercrimes und des Terrorismus wissen um diesen Umstand. Sie nutzen die Überwachungslücken, um vogelfrei zu agieren und fortgesetzt ungestört und unüberwacht schwerste Straftaten zu begehen. Straftäter im Bereich des Cybercrime haben die Spielweise der Strafverfolgungsbehörden längst verlassen.
Während andere Länder moderne Überwachungstechniken entwickeln und erwerben, um der organisierten Kriminalität zu begegnen, schaffen wir es in einem Deutschland voller Datenschutzbedenken nicht einmal ein Gesetz zur langfristigen Speicherung der Verkehrsdaten für den Fall von strafrechtlichen Ermittlungen in Verbrechenstatbeständen mit Richtervorbehalt durchzubringen (Stichwort: „Vorratsdatenspeicherung“). Das größte Problem ist jedoch – wie beim Fall „White Tiger“ klar zu erkennen –, dass es zahlreiche Phänomenbereiche abscheulichster Verbrechen (Cybergrooming, Sextortion, Livestreaming von sexuellem Kindesmissbrauch) gibt, welche in Täternetzwerken mit und über das Internet begangen werden. Das Problem dabei, keine Länderpolizei und auch nicht das BKA (mit Ausnahme der „Zentralstelle für die Bekämpfung von Sexualdelikten zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen“) investiert Ressourcen (Personal) in die anlassunabhängige Bekämpfung dieser Phänomenbereiche an Schwerstkriminalität. Dieses ist insbesondere darin begründet, dass man häufig nicht weiß, ob sich der Täter oder auch das Opfer überhaupt in Deutschland aufhält und wenn, in welchem Bundesland. Die Zuständigkeitsfrage in Bezug auf das Bereitstellen von Ermittlungsressourcen spielt in einem Föderalstaat wie der Bundesrepublik eine entscheidende Rolle. Es steht schließlich nicht einmal genug Personal für die Verfolgung von angezeigter oder amtlich in Erfahrung gebrachter Kriminalität in den Bundesländern zur Verfügung, was durch die Halden an Strafverfahren auf den Schreibtischen der Kriminalpolizeidienststellen von Füssen bis Flensburg eindrucksvoll abgelesen werden kann.
Das schwerste Straftaten, wie im Fall „White Tiger“, auch ohne Anzeige oder Hinweis aus dem Ausland mit einem entsprechenden Werkzeugkasten an tauglichen Strafverfolgungsmaßnahmen verfolgt werden sollten, wird wohl jede/jeder befürworten.
Der BDK fordert deshalb, dass Phänomene von Schwerstkriminalität, die im über das Internet begangen werden, endlich anlassunabhängig entweder von Kooperationszusammenschlüssen der Landespolizeien oder in zentraler Zuständigkeit vom BKA verfolgt werden.“
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