Polizeipräsident Kandt äußert sich zur Schießstättenproblematik

28.04.2016

In einem persönlichen Brief wendet sich Polizeipräsident Kandt an seine Mitarbeiter und informiert über den aktuellen Stand in Sachen Schießstätten.
Polizeipräsident Kandt äußert sich zur Schießstättenproblematik

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich wende mich heute persönlich an Sie, um Ihnen den aktuellen Stand des Verwaltungsverfahrens darzulegen und Ihnen nach Möglichkeit die Sorgen zu nehmen. Anhand der eingeleiteten Maßnahmen möchte ich Ihnen verdeutlichen, dass behörden-weit eine deutliche Sensibilisierung im Gefahrenbewusstsein stattgefunden hat und wir vieles zur Modernisierung der Schießstätten auf den Weg gebracht haben.

Ich kann Ihnen versichern, dass alle zuständigen Bereiche meiner Behörde mit Hoch-druck Lösungsmöglichkeiten entwickeln und umsetzen, um die aktuell noch bestehen-den erheblichen Defizite bei den Schießständen auszugleichen.

Im Bereich des Arbeitsschutzes bietet der Ärztliche Dienst seit 2010 regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen und Beratungsgespräche für Schießtrainerinnen und Schießtrainer an. Seit Oktober 2013 erhält der Arbeitgeber aufgrund geänderter rechtlicher Regelungen keine Informationen mehr über den Inhalt und das Ergebnis der arbeitsmedizinischen Vorsorge. Deshalb obliegt es jedem und jeder Betroffenen selbst, wem er oder sie die Untersuchungsergebnisse offenbaren möchte.

Unabhängig davon ist es mir wichtig, dass umgehend die Gesundheitsuntersuchungen potentiell gefährdeter Mitarbeiter_innen stattfinden.

Die Einsatztrainer der Dir E haben bei den Ämtern und Direktionen eine Abfrage durchgeführt, zusätzlich wurden Dienstunfallanzeigen ausgewertet, auch der BDK hat Betroffene benannt. Aus diesen Recherchen ergibt sich ein von gesundheitlichen Schädigungen potentiell betroffener Personenkreis von insgesamt 1532 Kolleginnen und Kollegen.

75 dieser Mitarbeiter_innen, bei denen Indizien für eine gesundheitliche Schädigung festgestellt wurde, sollen umgehend die Möglichkeit einer umfangreichen arbeitsmedizinischen Untersuchung beim Polizeiärztlichen Dienst erhalten. Auch den 14 pensionierten Kolleginnen und Kollegen wird dieses Angebot gemacht. Der entsprechende Vorgang liegt aktuell dem Gesamtpersonalrat im Rahmen des notwendigen Beteiligungsverfahrens zur Mitbestimmung vor.

Für die weiteren 1.443 Mitarbeiter_innen lasse ich aktuell erarbeiten, welche arbeitsmedizinischen Vorsorgemaßnahmen wir mit Unterstützung Externer anbieten können. Die Kosten sollen selbstverständlich von der Behörde getragen werden.

Die Unsicherheiten bei den Schießtrainerinnen und Schießtrainern sind groß. Ich wurde persönlich davon unterrichtet, dass einige Schießtrainer_innen bis auf Weiteres nicht mehr auf den Schießständen in der Kruppstraße und in Wannsee arbeiten wollen. Auch wenn ich Ihre Sorgen verstehe, so bleibe ich doch bei meiner Überzeugung, dass der Schießstand Kruppstraße in einem einwandfreien Zustand ist. Ich vertraue hier auf die Kompetenz der LaKoS-Mitarbeiter, die aus dem Kreis der Schießtrainer kommen, die Behörde in- und auswendig kennen und Ihre Befürchtungen daher in besonderer Weise nachvollziehen können. Die Kollegen haben mir versichert, dass die Ab- und Zuluft-Werte den Daten wie zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme im September 2013 entsprechen. Störungsmeldungen der Schießtrainer werden durch die LaKoS unmittelbar überprüft.

Für den Schießstand Wannsee stellt sich die Situation aktuell anders dar. Ich hatte entschieden, dass neben den ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen auch die Raumluftmessungen und sicherheitstechnischen Betrachtungen der Schießstände erneut beauftragt werden und die bestehenden Gefährdungsbeurteilungen der Schießstände noch einmal kritisch hinterfragt werden.

Im Rahmen dieser kritischen Betrachtungen und aufgrund anhaltend geäußerter Bedenken zur gesundheitlichen Sicherheit bei der Nutzung erfolgte eine erneute Bewertung der Gefährdungsbeurteilung des DEVA Schießstandes Wannsee, der letztmalig im September 2015 durch ein externes Unternehmen begangen worden war.

Bei der Überprüfung der vorgelegten Untersuchungsergebnisse von Materialproben und Messungen der Raumluft wurde festgestellt, dass in den alten Seitenwänden der Schießanlage ein anderes Material verwendet wurde, als in den neu angebrachten und wiederholt kritisierten Hochblenden. Die Seitenverkleidungen bestehen aus Stein-wolle und wurden höchstwahrscheinlich vor 1996 verbaut. Es gibt derzeit keine aus-reichenden Hinweise auf die Unbedenklichkeit dieser Steinwolle, weil erst später die Regelungen zur Prüfung der Gefährlichkeit geschaffen wurden. Bei Steinwolle muss als Test der Unbedenklichkeit ein Nachweis der sogenannten Biobeständigkeit z.B. mittels Tierversuchen erfolgen. Die alleinige Materialuntersuchung und Ermittlung des Kanzerogenitätsindex (KI-Index) genügt bei Steinwolle nicht. Deshalb prüft der Bereich Arbeitsschutz derzeit alternative Möglichkeiten, kurzfristig die hinreichenden Informationen für die Einstufung des verbauten Materials zu erhalten. Bis zum Abschluss dieser Prüfung hat der Leitende Betriebsarzt von einer weiteren Nutzung des Schießstandes Wannsee abgeraten.

Diesem Rat folgend habe ich gestern ein vorläufiges Nutzungsverbot für den gesamten Schießstand Wannsee erteilt.

Dieses Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen für das Schießtraining in unserer Behörde. Deshalb habe ich mich entschlossen, eine Taskforce einzurichten, in der der Sachverstand aller Bereiche gebündelt wird (LaKoS, Arbeitsschutz, Landeseinsatztrainer, LKA, PPr St und andere). Wir müssen das Schießtraining insgesamt umstrukturieren, um Ihnen, die Sie Dauerwaffenträger sind, das Training weiterhin zu ermöglichen. Dazu gehört auch, dass das Schießtraining auf Lasersimulationsanlagen in größtmöglichem Umfang gewährleistet wird.
 
Mir ist bewusst, dass Sie und Ihre Angehörigen sich ernsthaft Gedanken um Ihre Gesundheit machen und deshalb der drängende Wunsch besteht, schnell Klarheit über das tatsächliche Ausmaß der Gefährdung zu bekommen.

Gleichwohl bitte ich um Ihr Verständnis für die Dauer des gesamten Verfahrens. Die Aufarbeitung der letzten 20 Jahre, der bis heute 153 Gutachten, der Umgang mit den Betroffenen, das Erarbeiten von erforderlichen Lösungsmöglichkeiten zum Wohle von Ihnen allen sowie die notwendigen Abstimmungen mit den vielen Dienstbereichen und Personalvertretungen benötigen auch ihre Zeit, um mit den Ergebnissen die Neugestaltung eines modernen Schießtrainings mit optimalem Mitarbeiter_innenschutz zu gewährleisten.

Im März wurden im Zuge des bei der Staatsanwaltschaft geführten Ermittlungsverfahrens zudem die gesamten Unterlagen beschlagnahmt, sodass diese zurzeit nicht zur Verfügung stehen.

Unabhängig davon setze ich mich mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln dafür ein, die geplanten fünf Einsatztrainingszentren zügig zu realisieren. Auf diese Weise werde ich sicherstellen, dass Sie zukünftig auf modernen, allen Arbeitsschutzaspekten entsprechenden Anlagen trainieren können.

Mit herzlichen Grüßen

Ihr
Klaus Kandt

 

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