Rufbereitschaften - Dienstliche Erfordernisse in Einklang mit sozialen Belangen bringen

30.04.2014

Kriminalistinnen und Kriminalisten wissen: Die Durchführung von Rufbereitschaften ist mehr als ein taugliches Mittel für die Aufklärung bestimmter Kriminalitätsphänomene. Das schnelle Heranführen von Spezialisten an den Tatort, die fachlich versierte Vernehmung von Zeugen und Beschuldigten unmittelbar nach der Tat, das umgehende Prüfen von Haftgründen und das Sicherstellen von entscheidenden Beweismitteln bringt meist Feststellungen, die zu einem späteren Zeitpunkt oftmals nicht mehr erhoben werden können.
Rufbereitschaften - Dienstliche Erfordernisse in Einklang mit sozialen Belangen bringen
Robert Müller / pixelio.de

Daher sind wir als BDK von der Notwendigkeit der Durchführung von Rufbereitschaften in diesen Deliktsbereichen überzeugt, allerdings nur dort, wo der kriminalistische Nutzen im Einklang zu den sozialen Belangen der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern steht.

Deshalb hat der BDK bereits 1992 im damals noch existierenden Personalrat der Kriminalpolizei die noch heute gültige Dienstvereinbarung „Mehrarbeit“, in der auch die Regelungen zur Rufbereitschaft enthalten sind, durchgesetzt, und damit erstmalig zu diesem Thema sozialverträgliche Grundbedingungen geschaffen (nachzulesen im Intrapol mit dem Suchbegriff „Dienstvereinbarung Mehrarbeit“).

Rufbereitschaftsgrundsätze der Dienstvereinbarung „Mehrarbeit“

  • Rufbereitschaft bedeutet: freie Wahl des Aufenthaltsortes.Lediglich die Erreichbarkeit des Einsatzortes in angemessener Zeit muss gewährleistet werden.
  • Bei Rufbereitschaften ist auf eine möglichst gleichmäßige Belastung der Betroffenen zu achten.
  • Bis zu 3 Rufbereitschaften pro Monat sind erlaubt. In Ausnahmefällen sind zwei weitere Rufbereitschaften im Monat möglich. Dies ist dem Personalrat zu melden.
  • Abwesenheiten durch Krankheit, Urlaub o.ä. sind anteilig zu berücksichtigen.
  • Nach Vollendung des 50. Lebensjahres besteht keine Verpflichtung zur Ableistung von Rufbereitschaften, Freiwilligkeit ist jedoch nicht ausgeschlossen.
  • Rufbereitschaften werden mit 12,5% als Mehrarbeit entschädigt (Tätigwerden ist Dienstzeit und zählt zu 100%).
  • EINE Rufbereitschaft ist wochentags grundsätzlich von Ende der Funktionszeit der „Rahmendienstzeit“ (Montag - Donnerstag: 16.30 Uhr, Freitag: 15:00 Uhr) bis zum nächsten Morgen (08:00 Uhr) und an Wochenenden und Feiertagen grundsätzlich für 12 Stunden.
  • Mehrere Rufbereitschaften, z.B. am Wochenende, können zusammenhängend abgeleistet werden.
  • Für die durchgängige Ableistung von Rufbereitschaften rechnet man durchschnittlich 14 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ist. Das bedeutet: Aufgrund von Abwesenheiten (s.o.) besteht ein Bedarf an 18 rufbereitschaftsleistenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.


Teilzeitbeschäftigte

Bei Abschluss der o.g. Dienstvereinbarung „Mehrarbeit“ war die Durchführung von Teilzeit noch kein so weitreichendes Thema, wie heute. Es fand deshalb keine Berücksichtigung. Rein rechnerisch könnte der Punkt der Abwesenheit (s.o.) jedoch einen ausreichenden Anhaltspunkt dafür geben, dass Teilzeitbeschäftigte grundsätzlich auch nur im Umfang ihrer Teilzeitbeschäftigung zu Rufbereitschaften herangezogen werden können.

Aber auch das wäre nur die halbe Wahrheit. Teilzeit ist ein Kernpunkt für die Gewährleistung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Vor diesem Hintergrund ist es - bisher erfolgreich - gelebte Praxis, dass Teilzeitbeschäftigte mit ihrem/seinem Vorgesetzen die Form und das Ausmaß ihrer/seiner Rufbereitschaften einvernehmlich vereinbart.

Schiebedienste

Strukturelle Schiebedienste sind nach der Dienstvereinbarung nicht möglich.

Lagebedingte Schiebedienste, z.B. im Rahmen temporärer Konzepte zur Bekämpfung besonderer Kriminalitätsbereiche, sind im Rahmen strenger Regeln möglich.

  • maximal 40 Arbeitstage je Mitarbeiterin/Mitarbeiter im Jahr,
  • für die jeweilige Dienststelle zusammenhängend nicht mehr als 4 Wochen,
  • lediglich montags bis freitags (ohne Feiertage),
  • im Zeitrahmen von 06.00 - 22.00 Uhr.

Sonstige Dienstzeitregelungen:

Alle sonstigen möglichen Dienstzeitregelungen, die hier oder in der Dienstvereinbarung „Rahmendienst“ (Gleitzeitregelung der Kriminalpolizei) nicht aufgeführt sind, sind mit dem Personalrat gesondert zu vereinbaren. Gängige Praxis dabei ist, dass der Personalrat dazu für seine Entscheidungsfindung grundsätzlich eine Abstimmung bei den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abfordert.

Ausgestaltung der Rufbereitschaften im LKA 1

Während in anderen Bereichen des LKA (z.B. LKA 38, LKA 41 und 42, LKA 7) Rufbereitschaften üblich sind, wird nach der Zusammenführung der ehemaligen 24 KED, der ehemaligen ZEK (ZD 63 bis 66) sowie dem LKA 43alt ins LKA 1 erstmalig in den 8 Kriminalkommissariaten flächendeckend Rufbereitschaften für den Bereich Intensivtäter sowie Raub (ohne Zuständigkeit LKA 44) eingeführt. Grundsätzlich wird die Rufbereitschaft aus allen Sachgebieten, also allen Standorten, des jeweiligen KK durchgeführt. Lediglich im KK Harburg (nur ein Sachgebiet) und KK Mitte I (zwei Sachgebiete) erfolgt hiervon eine Ausnahme, wobei für KK Mitte I darüber hinaus auch die Rufbereitschaftsfälle auf „herausragende Körperverletzungsdelikte“ im Bereich der Waffenverbotszone auf St. Pauli ausgedehnt wurden.

Seitens der LKA-Leitung wurde entschieden, dass im Grundsatz den Rufbereitschaft leistenden Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit gegeben wird, ein Dienst-KFZ mit in die Rufbereitschaft zu nehmen.

Wo kann es problematisch werden?

Wir haben uns in den letzten Monaten viel Zeit genommen und die Dienststellen der örtlichen Ebene aufgesucht. Hierbei wurden immer wieder Sorgen und Bedenken bezüglich der zu leistenden Rufbereitschaften an uns herangetragen, auf die wir aus gewerkschaftlicher und personalrätlicher Sicht ein besonderes Augenmerk richten und gegebenenfalls gegensteuern werden:

  • Im KK Harburg (nur ein SG macht Rufbereitschaft) und im KK Bergedorf (Gesamtpersonalstärke) werden die notwendigen Rufbereitschaftsstärken nur erreicht, weil sich mehrere Kolleginnen und Kollegen, die bereits das 50. Lebensjahr überschritten haben, zur Ableistung von Rufbereitschaften bereit erklärt haben.
  • In den Kriminalkommissariaten, in denen die Rufbereitschaften von mehreren Standorten aus gewährleistet werden, müssen die Kommunikationswege und der Materialaustausch zwischen den einzelnen Standorten optimal gestaltet werden.
  • Insbesondere für die Zuständigkeiten aus dem LKA 43alt gilt die Frage: Kann die neue Struktur den Anspruch und den Standard des ehemaligen Raubdezernates gewährleisten?
  • Abzuwarten bleibt auch, ob der mit der Rufbereitschaft verbundene kriminalistische Nutzen im Einklang zu den sozialen Belangen der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern steht.


Aussichten

In einem Gespräch mit der LKA-Leitung am 22.04.2014 haben wir insbesondere bei den genannten Punkten den Finger in die Wunde gelegt und klargemacht: Die Personalräte des BDK werden darauf achtgeben, dass die geltenden Regelungen aus der Dienstvereinbarung „Mehrarbeit“ eingehalten werden. Nachlässigkeiten der Vergangenheit, wie z.B. die Tatsache, dass bei mehr als 3 Rufbereitschaften/Monat die Meldung an den Personalrat nicht erfolgt ist, werden zukünftig unterbleiben, so die Zusage der LKA-Leitung.

Bereits im vergangenen Dezember hat der BDK seinen Mitgliedern ein juristisch erarbeitetes Musterschreiben zur Verfügung gestellt, womit die Beantragung der Anerkennung der Rufbereitschaftszeiten als Dienstzeit (100% statt 12,5%) erfolgen konnte. Hintergrund ist ein entsprechendes Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg (s. http://www.bdk.de/lv/hamburg/rufbereitschaft-dienstzeit-noch-dieses-jahr-den-antrag-stellen). Wir empfehlen jeder/jedem (neuen) Rufbereitschaftsleistenden, von diesem Antrag ebenfalls Gebrauch zu machen.

Wir als BDK werden das Thema Rufbereitschaften insgesamt, aber natürlich durch die Neueinführung insbesondere in der örtlichen Ebene, kritisch und ergebnisoffen begleiten.

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