Sonderkommissionen in Hamburg : Gestatten, „Soko“ - Hamburgs Kampf gegen Einbrecher, Rocker und Fahrraddiebe

19.03.2018

In der Hansestadt sind „Sokos“ in die Mode gekommen. Derzeit gibt es ein halbes Dutzend Sonderkommissionen zur Bekämpfung „herausragender Delikte“, wie es im Polizeijargon heißt. Die Ermittler sind Einbrechern, Rockern oder professionellen Fahrraddieben auf der Spur. Und das durchaus mit Erfolg: Nach der Gründung dementsprechender Sokos gab es weniger Einbrüche, weniger Fahrraddiebstähle und weniger illegale Straßenrennen. Ein besonderer Coup gelang der Ermittlungsgruppe „Cold Cases“ mit der Aufklärung eines Mordfalls aus dem Jahr 1980
Sonderkommissionen in Hamburg : Gestatten, „Soko“ - Hamburgs Kampf gegen Einbrecher, Rocker und Fahrraddiebe

Alles schön und gut, sagt Jan Reinecke, Hamburger Landeschef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), aber mittlerweile werde aus Personalnot auch Alltagskriminalität durch Sokos bekämpft: „Die Kriminalpolizei wurde personell und materiell an die Wand gefahren. Bei Soko-Gründungen ist das Personal regelmäßig nicht übrig, sondern wird aus anderen Bereichen abgezogen, wo es dann fehlt. Die Kriminalpolizei ist zu einem Wanderzirkus verkommen.“

Aus der Pressestelle der Hamburger Polizei sind ganz andere Töne zu vernehmen. „Für besondere Einsatz- oder Ermittlungsanlässe bildet die Polizei Hamburg regelmäßig Besondere Aufbauorganisationen, kurz: BAO. Hierdurch kann die Polizei flexibel auf kurzfristig eingetretene Lageänderungen reagieren, ohne grundlegende Organisationsstrukturen verändern zu müssen“, betont Sprecher Florian Abbenseth. Im Bereich des Landeskriminalamts ermögliche die Einrichtung einer Soko oder einer Ermittlungsgruppe eine „temporäre Konzentration von Ermittlungsressourcen“ auf bestimmte Kriminalitätsphänomene. „Die Einrichtung einer BAO ist dabei kein Beleg für eine strukturelle Überlastung, sondern sie bietet vielmehr die Möglichkeit, auch besondere Herausforderungen zügig bewältigen zu können“, sagt der Polizeisprecher.

Jan Reinecke, der den „massiven Personalnotstand“ bei der Polizei seit langem kritisiert, hatte sich im Herbst ein Wortgefecht mit Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) geliefert, der Reineckes Kritik als „total überzogen“ und „verantwortungslos“ bezeichnete, den Rückgang der Gesamtkriminalität hervorhob und personelle Engpässe vor allem mit der Aufarbeitung der Geschehnisse rund um den G20-Gipfel erklärte.

Während die aktuell sechs Sokos dank einiger Erfolge für reichlich Schlagzeilen sorgen, legt Reinecke nach: „Der Personalmangel bei der Hamburger Kriminalpolizei zeigt sich seit Jahren insbesondere dadurch, dass zur Bewältigung von Phänomenen der Alltagskriminalität Sokos oder BAOs gegründet werden müssen, weil die Fachdienststellen diese Phänomene aufgrund von Überlastung nicht mehr bearbeiten können oder sogar aufgelöst wurden.“ Beispiele seien, so Reinecke, die Einrichtung „Soko Castle“, der „Soko Rocker“ und der Task Force „Rauschgift“.

Beim Einsatz der Polizei gehe es der Hamburger Politik vor allem um das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger, behauptet Reinecke. Das hierfür eingesetzte Mittel sei die schutzpolizeiliche Präsenz. „Allerdings verhindert die Präsenz von Streifenwagen nur sehr selten wirklich Straftaten und noch viel weniger klärt sie Straftaten auf.“ Deshalb fordert seine Gewerkschaft, dass die Fachdienststellen so gut ausgestattet sein müssten, dass die Alltagskriminalität in der Stadt dort bekämpft werden kann. „Sokos sollten wieder nur in begründeten, konkreten Einzelfällen eingerichtet werden, wie damals bei der Reemtsma-Entführung“, so Reinecke.

Wohin der Personalmangel bei der Kriminalpolizei führe, lasse sich am Beispiel des Rauschgifthandels in St. Pauli und St. Georg ablesen, erläutert Jan Reinecke. Weil der Straßendeal im Grammbereich ein öffentliches Ärgernis sei, würden die wenigen Ressourcen der Polizei konzentriert. Der Rauschgifthandel im Kilobereich, der außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung stattfinde, werde immer weniger verfolgt, weil schlichtweg das Personal fehle.

Link zum Artikel: https://www.shz.de/regionales/hamburg/gestatten-soko-hamburgs-kampf-gegen-einbrecher-rocker-und-fahrraddiebe-id19350841.html#login-success

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