Standpunkt: Im Kampf gegen die Mafia versagt unser Staat kläglich!

15.11.2018

Die Hamburger Morgenpost möchte sich mit der Bekämpfung von Organisierter Kriminalität (OK) befassen, ernsthaft? Ich fühle mich durch diese Standpunktanfrage der MOPO geehrt, finde sie aber auch irgendwie goldig. Denn weder hier in Hamburg noch im Rest der Bundesrepublik wird OK ernstzunehmend bekämpft und das liegt nicht an den wenigen Polizis-ten, die in der Regel hoch motiviert in diesem Bereich arbeiten.
Standpunkt: Im Kampf gegen die Mafia versagt unser Staat kläglich!

Organisierte Kriminalität gab es schon immer und wird es immer geben, regional, national und international! Das Konzept „OK“ ist dabei denkbar simpel: Illegalität erhöht die Gewinnspannen! Daher wird es stets Anreize geben, sich nicht gesetzeskonform und damit kriminell zu verhalten. OK zielt ausschließlich auf Gewinn- und Einflussmaximierung ab. Hierzu könnte man nun eifrig OK-Definitionen und -Statistiken aufführen – Langweilig. Diese Recherchearbeit überlasse ich lieber den Medienprofis der MOPO, die bestimmt ganz zauberhafte Schaubilder zuwege bringen, die diesen Standpunkt säumen werden. Die Leser dürften sich allerdings viel mehr dafür interessieren, wie es aus Sicht des Bund Deutscher Kriminalbeamter um das eigene Land, die eigene Stadt in Bezug auf die Bekämpfung von OK bestellt ist. – Ich sag‘ mal: Schlecht. Zum einen ist die Bundesrepublik ein Transitland für Waren- und Geldströme, zum anderen sind Wirtschaft und Politik in Teilen korrumpiert und involviert, Globalisierung und Digitalisierung nicht zu vergessen. Zum anderen stellt sich die Frage, ob die Ermittlungsbehörden grundsätzlich arbeitsfähig sind – Nein, sind sie nicht. Es ist hinlänglich bekannt, dass es ihnen an Personal und vor allem an rechtlich zulässigen Maßnahmen und Mitteln fehlt. So kann die Polizei standardmäßig verschlüsselte Kommunikation nicht überwachen, Massendaten oder Funkzellen nur eingeschränkt auswerten. Unzulängliche Vorratsdatenspeicherung und Datenschutz verhindern die Aufklärung von Tat- und Täterzusammenhängen. Die Arbeitsplatzausstattung der Hamburger Polizei erlaubt lediglich einen eingeschränkten Internetzugriff ohne Ton, der Datentransfer erfolgt quälend langsam, sofern er denn überhaupt zustande kommt und die „digitale Akte“ lässt seit Jahren auf sich warten. Um OK zumindest in Europa erfolgreich zu bekämpfen, bedürfte es eines Euro-BKA und einer Euro-Staatsanwaltschaft mit maßgeschneiderten Befugnissen – In Zeiten der Wiederentdeckung alter Liebe zu neuem Nationalismus ist Europa Lichtjahre davon entfernt. Tatsache ist, dass bereits der bundesdeutsche Föderalismus den Informationsaustausch der Polizeien in den Ländern und dem Bund unzumutbar erschwert.  Die Fälle „Anis Amri“ und „NSU“ lassen Grüßen! Da wundert es auch nicht weiter, dass kürzlich die Zuständigkeit der Geldwäschebekämpfung, das wohl schärfste Schwert, welches die Polizei als Waffe gegen die OK einzusetzen hat, auf Geheiß des Bundesfinanzministeriums vom BKA auf den Zoll übertragen worden ist. Eine Katastrophe! Die Wahrscheinlichkeit, dass Geldflüsse aus illegalen Transaktionen mit OK-Relevanz durch den für diese Aufgabe gänzlich inkompetenten Zoll festgestellt werden, tendiert geradezu gen Null. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass zum Beispiel Italienische OK-Dienststellen die Zusammenarbeit mit bundesdeutschen Polizeien - Da völlig sinnlos - verweigern. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die Schwerpunktsetzung der Sicherheitspolitik in Bund und Ländern: Mit großem Eifer werden Ressourcen in die Bekämpfung von Alltagskriminalität gesteckt, denn hier reagiert das Wahlvolk unmittelbar und sanktioniert steigende Kriminalitätszahlen an der Wahlurne - Niemand wird verständlicherweise gern Opfer eines Raubes, Betrugs oder Einbruchs. Als die Polizei Hamburg mit der SoKo „Castle“ Erfolge bei der Einbruchsbekämpfung vermelden konnte, gesellte sich die Politprominenz gern zu Presseterminen – Gab halt schöne Bilder. Hier wird die Aufmerksamkeit des Bürgers bewusst auf Nebenkriegsschauplätze gelenkt. Fotostrecken und TV-Sequenzen zu erfolgreich abgeschlossenen OK-Ermittlungen gegen Ableger der italienischen ‘Ndrangheta, Cosa Nostra, Camorra oder auch russische Gruppierungen mit ihren „Dieben im Gesetz“ gab es nicht und wird es wohl auch künftig nicht geben. Dem Bürger sei versichert: Die sind alle hier und begehen munter Straftaten. OK-Gruppierungen betrachten die Bundesrepublik als Aktions-, Ruhe- und Rückzugsraum, da hiesige Ermittlungsbehörden keine ernsthafte Bedrohung darstellen. Hier sei angemerkt, dass der wirtschaftliche Schaden durch OK wesentlich höher zu beziffern ist als jener durch Rohheits- und Eigentumsdelikte. So erwirtschaftet nach Schätzungen des United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC) die OK allein in Europa Umsätze in einer Größenordnung von etwa 100 Milliarden Euro, weltweit sind es ca. 630 Milliarden – jährlich! Die Aufdeckung von OK-Strukturen ist mühsam, erfordert von allen Beteiligten viel Sachverstand und ist zuweilen langwierig. – Und für die Damen und Herren Politiker mit dem Blick fest auf den Suchern der Fernsehkameras nicht mit wenigen kernigen Worten zu erläutern. Nicht „sprechbar“ und mithin unattraktiv für Amtsinhaber. Hier ist der Bürger gefragt: Gibt er sich für ein sogenanntes subjektives Sicherheitsgefühl mit mehr Polizeipräsenz auf den Straßen zufrieden oder soll das Staatswesen wirksamen Schutz erfahren? Die Zustände in dem gescheiterten Staat („failed state“) Mexiko, wo im vergangenen Jahr mehr als 40.000 Menschen der OK zum Opfer fielen, könnten hier als Entscheidungshilfe dienen. Europol kam unlängst zu dem Ergebnis, dass wirtschaftliche Ungleichheit in Europa zu mehr gesellschaftlicher Akzeptanz von OK führt. Die Infiltrierung von Gesellschaften findet bereits statt. Was nun? Einstieg, Ausstieg, Abstieg? Wie wär’s mit einem Arbeitskreis…

 

Link zum leicht gekürtzten Standpunkt in der Hamburger Morgenpost:

https://www.mopo.de/hamburg/polizei/kampf-gegen-die-mafia-hamburger-kommissar-rechnet-brutal-ehrlich-ab-31592854

 

diesen Inhalt herunterladen: PDF