Wortbeitrag der Landesvorsitzenden zur Personalversammlung

14.10.2022

Anlässlich der Personalversammlung der Polizeidirektion Süd am 14. Oktober 2022, fand die Landesvorsitzende in den Räumen der BTU in Cottbus markige Worte zur Situation und dem Berufsbild der Kriminalpolizei im Land Brandenburg. Im Folgenden soll der Wortbeitrag auch für diejenigen nachzulesen sein, die vielleicht noch Anregungen und Argumentationshilfe brauchen, um endlich Veränderungen herbeiführen zu können.
Demo
"Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

der eine, die andere kennt mich noch nicht. Ich bin 2017 als Quereinsteigerin zur Polizei gekommen, seit 22 Jahren Gewerkschafterin und seit Ende letzten Jahres die Vorsitzende meines Landesverbandes. Ursprünglich habe ich Linguistik, angewandte Informatik und Orientwissenschaften in Marburg, Potsdam und im Ausland studiert.
Mein Herz hat dabei schon im Studium für die Forensische Linguistik geschlagen - das ist ein Bereich innerhalb der Kriminaltechnik, in dem wir uns z. B. mit den akustischen Puzzleteilen der menschlichen Sprache beschäftigen und im sogenannten „Sprachprofiling“ Straftäter anhand ihrer stimmlichen Merkmale überführen können.
Ich bin derzeit Dozentin an der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg, unterrichte dort Englisch und Arabisch und arbeite an meiner Promotion zu Vernehmungen und Befragungen bei der Kriminalpolizei.

Vernehmungen/Befragungen, Kriminaltechnik im Bereich der Sprecheridentifizierung, das sind auf den ersten, und sicherlich auch auf den zweiten und dritten Blick, erst einmal ziemlich spezielle Themen. Aber was soll ich euch sagen, unsere erfahrenen Kolleginnen und Kollegen wissen:

In der Kriminalpolizei gibt es kaum ein Thema, das nicht speziell ist. Außerhalb der Kriminalpolizei ist oft kaum bekannt, wie viele unterschiedliche Berufsgruppen eigentlich in "der Kriminalpolizei" zusammenkommen, zusammenarbeiten und gemeinsam Verbrechen aufklären, und das Dank des hoch spezialisierten Wissens, das hier zusammenfließt. Dass das spezialisierte Wissen, gerade im Bereich der Kriminalstrategie, des kriminalistischen Denkens, der Vernehmungspsychologie aber in spätestens fünf Jahren Geschichte sein wird, das ist großen Teilen der Behördenleitung und in der Politik offensichtlich noch immer nicht klar. Weil es an den entscheidenden Stellen -- ganz grundsätzlich --- an Kenntnis über das Berufsbild Kriminalpolizei fehlt.

Man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen. Wir befinden uns in einem der größten transformatorischen Prozesse die unsere Welt, die auch die Polizei je gesehen hat. Dazu kommt, dass sich alles um uns herum mittlerweile in einem Tempo verändert, dass sich wahrscheinlich kaum jemand von uns vor einigen Jahren noch vorstellen konnte.
Wir stehen hochprofessionellen Täterprofilen gegenüber, die technisch immer auf dem aktuellsten Stand sind, die in der Regel alle mehrsprachig sind und die sich im höchsten Maß international vernetzen.
Unsere Organisation, die Polizei des Landes Brandenburg, hat mehr als 8000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Entscheidungsträger stellen sich hin und sagen:

„Okay, 7000 davon müssen alle das Gleiche lernen, und hinterher schauen wir mal, wie sich das so entwickelt und dann können wir ja noch ein bisschen nachschulen.“

Wie würde das denn in anderen Bereichen der Gesellschaft ablaufen? Stichwort Medizin. Folgendes Gedankenexperiment: Ab sofort spielt es keine Rolle mehr, ob jemand Zahnarzt, Tierarzt oder Humanmediziner werden will. Alle studieren erstmal das Gleiche und der Rest wird sich dann im Verlauf des Berufslebens schon irgendwie ergeben, zur Not wird dann halt ein bisschen nachgeschult.
Das - ist - völlig - absurd liebe Kolleginnen und Kollegen und deshalb sagen wir:

Für uns ist es keine Frage ob die spezialisierte Ausbildung kommt, für uns ist die Frage wann kommt sie, und wir werden mit Nachdruck auf allen Ebenen für diese Forderung kämpfen.

Eins sage ich aber auch gleich: auf diese Mogelpackungen wie sie derzeit in Sachsen-Anhalt und seit Neuestem in Mecklenburg-Vorpommern laufen, lassen wir uns nicht ein. Deshalb ist ganz klar, dass unsere Forderung auch ein professionelles Personalkonzept mit einschließen muss. 

Es gibt hervorragend etablierte Studiengänge z.B. in Schleswig-Holstein - übrigens dort unter maßgeblicher Mitarbeit eines Leitenden Kriminaldirektors aus Brandenburg, mittlerweile a.D., es gibt diese Studiengänge in Hessen, in Hamburg, wie gesagt in Schleswig-Holstein, in Berlin, in Baden-Württemberg und wer sich fragt wo der Osten bleibt: tja, bei uns hat man das direkt nach der Wende einfach erstmal platt gemacht. Wie so Vieles. Inhaltliche Begründung: Fehlanzeige. 

Und wenn ich eben alle diese Bundesländer mit professioneller Kriminalpolizei aufgezählt habe, dann kann ich euch sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesen Bundesländern sitzen im Übrigen auch mehrere hundert unserer Brandenburgischen Landeskinder. Die könnten wir hier bei uns jedenfalls besser  gebrauchen! Und im Übrigen laufen diesen Bundesländern die ich gerade genannt habe auch nicht seit Jahren die Bewerber weg. Die können sich vor Bewerbungen kaum retten!
Alle Jahre wieder wurden auch mal wieder reihenweise Kräfte von ihren Dienststellen in „dieses ZentrAB" abgeordnet. Ich sage das ein wenig ironisch, weil wir als BDK von diesem Konstrukt überhaupt nichts halten.
Alle Jahre wieder müssen wir in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass die Polizeiliche Kriminalstatistik lediglich ein Arbeitsbericht der vergangenen Monate ist. Der berichtet über das Hellfeld. Da halten sich Straftäter im nächsten Jahr nicht wieder dran.
Es fehlt also weiterhin am Konzept zur professionellen Kriminalitätsbekämpfung, es fehlt weiterhin am Personalkonzept… und wer mir nicht glaubt, der darf gerne mal einen Blick in den seit 2011 gültigen Geschäftsverteilungsplan des PP werfen der seitdem auch noch nie transparent und für alle nachvollziehbar evaluiert wurde.
Seit 11 Jahren werden kontinuierlich Flickenteppiche innerhalb unserer  Kriminalpolizei geschaffen und die Kolleginnen und Kollegen werden teilweise auch gegeneinander ausgespielt weil sich, aufgrund dieses lückenhaften Geschäftsverteilungsplans, KKIen, KDIR und LKA neue Aufgaben so "schwarze Peter mäßig" hin und her schieben, weil es eben keine klaren Regelungen gibt.
Einige Phänomene sind auch nicht grundsätzlich im Geschäftsverteilungsplan  geregelt, und das führt dazu, dass Delikte wie Menschenhandel teilweise bis in die KKIen heruntergebrochen werden, wo sie dann natürlich völlig falsch aufgehoben sind. Weil meinen Kolleginnen und Kollegen dort, neben der Belastung bis zur Schmerzgrenze die die eh schon ertragen müssen, schlichtweg die Mittel und Möglichkeiten für derartige Ermittlungen fehlen. Unsere  Sachbearbeitung könnte um einiges besser laufen, wenn regelmäßig und systematisch der Geschäftsverteilungsplan angepasst würde.

Wir befinden uns in schnellen dynamischen Entwicklungen, in Personalknappheit, das PP redet immernoch davon, dass Digitalisierung „günstig“ sein muss, neue Kriminalitätsphänomene werden in der Aufgabenstruktur nicht berücksichtigt, hier nur ganz kurz: Stichwort Umweltkriminalität. Das ist mittlerweile zum drittgrößten Phänomen innerhalb der Organisierten Kriminalität angewachsen und ist schon fast fahrlässig unterrepräsentiert in unserer Behördenstruktur!
Vor all diesen Hintergründen brauchen wir kürzere Evaluierungszeiträume und überhaupt erstmal eine Evaluierung! Und, wir brauchen ganz dringend den Raum und den Willen unserer Behördenleitung, über eine Reform des Gesamtkonstrukts und die Organisation unserer Kriminalpolizei zu sprechen.

Für meine Kolleginnen und Kollegen wünsche ich mir, dass gute Arbeit endlich wertgeschätzt und fair bezahlt wird. Auch da gehört die Arbeit in der Kriminalpolizei in Brandenburg zu den unlukrativsten in der gesamten Polizei. Dazu muss selbstverständlich auch gehören, dass es innerhalb der Kriminalpolizei berufliche Entwicklungsmöglichkeiten gibt, es muss selbstverständlich ein Weihnachtsgeld dazu gehören und Stichwort Arbeitsbedingungen, um nur einen von vielen weiteren Punkten zu nennen: Dazu gehört auch, dass dieses leidige Experiment „Großraumbüro“ endlich wieder ad acta gelegt und nicht weiter in die Fläche getragen wird.

Und! Bevor ich für heute zum Schluss komme, möchte ich noch zwei Sachen loswerden:

Punkt 1:
Wir finden es offen gesagt fast schon ein bisschen unverschämt, einem der unlukrativsten und am wenigsten wertgeschätzten Bereiche der Polizei, nämlich der Kriminalpolizei, auch noch die letzten Zulagen zu streichen, Stichwort Fahndungskostenpauschale, und 

Punkt 2: Wenn ein Dienstherr einen kleinen Teil seiner Mitarbeiter aus allen dienstlichen Bestellmöglichkeiten heraushält, aber gleichzeitig den Kleidungsstil dieser Mitarbeiter vorschreibt, dann gehört es sich, dass er sich auch an den Bekleidungskosten beteiligt.

Kolleginnen, Kollegen, es gibt so einige Baustellen - die meisten davon schon viel zu lange.

Ich jedenfalls kann euch versprechen: Der BDK ist wieder da! Der BDK ist wieder laut! Und wir sind gerne weiterhin ein wenig penetrant! 

Ich danke euch -- und Ihnen -- für die Aufmerksamkeit"