Leichtes Spiel für Straftäter

29.05.2015

Die Aufklärungsquote von Delikten bei der Hamburger Polizei ist im bundesweiten Vergleich enttäuschend
Leichtes Spiel für Straftäter
Ausgabe, 28.05.2015

Beim Thema Wohnungseinbruch wird das Problem längst öffentlich diskutiert. Nicht einmal jede zehnte Tat wird in der Hansestadt aufgeklärt. 8,3 Prozent sind es, um genau zu sein. Doch auch bei anderen besonders gesellschaftsrelevanten Delikten nimmt die Hamburger Polizei im Bundesländervergleich der Aufklärungsquoten nur hintere Plätze ein, wie eine Senatsanfrage der CDU ausweist. Vor allem aber liegen die Quoten ausnahmslos unter dem Bundesdurchschnitt.

CDU-Sicherheitsexperte Karl-Heinz Warnholz hatte abgefragt, wie sich Aufklärungsquoten bei ausgewählten Straftaten bundesweit und über die letzten fünf Jahre entwickelt haben, darunter Mord, Vergewaltigung und Raub, aber auch dem "Diebstahl unter erschwerenden Umständen", zu dem auch der klassische Wohnungseinbruch gehört. Das Ergebnis: Bei allen acht verglichenen Deliktbereichen belegt die Hansestadt durchgehend nur einen der letzten drei Plätze – zusammen mit den anderen beiden Stadtstaaten Berlin und Bremen. Schlusslicht in der Reihe der 16 Bundesländer ist sie sogar beim Raub, mit einer Aufklärungsquote von nur 26,9 Prozent, was bedeutet, dass nur jeder vierte Raub überhaupt aufgeklärt wird. Schlechter noch sieht es bei der Sachbeschädigung aus (18,7 Prozent aufgeklärte Fälle), ebenfalls letzter Platz im Vergleich. Liegen die Aufklärungsquoten der einzelnen Bundesländer bei einigen Delikten wie etwa bei Mord und Totschlag oder bei Betrug nur wenige Prozentpunkte auseinander, sind die Qualitätsunterschiede in anderen Delikten deutlich größer: So wurden 2014 in Hamburg nur 67,1 Prozent aller Vergewaltigungen und sexuellen Nötigungen aufgeklärt, in Sachsen-Anhalt aber 89,1 Prozent. Der Durchschnitt aller Länder liegt bei 81 Prozent. Ein weiteres Beispiel ist der Raub. Werden in Thüringen 73,4 Prozent aller Raubtaten aufgeklärt, sind es in Hamburg nur 43 Prozent.

 "Die Aufklärungsquoten sind miserabel", konstatiert Anfragesteller Warnholz. Einer der Gründe für das schlechte Abschneiden Hamburgs sei der Personalengpass in der Polizeibehörde. "Da muss aufgestockt werden", sagt Warnholz. Angesichts einer Krankenquote von fast zehn Prozent und etwa 570 jährlichen Freistellungen auf gesetzlicher Grundlage des Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetzes reiche die Personalstärke "vorn und hinten nicht mehr. Hier muss neu nachgedacht werden. "Die Polizei relativierte die Zahlen: "Wir vergleichen hier Äpfel mit Birnen", sagte Pressesprecher Mirko Streiber, "weil ein Stadtstaat nicht mit einem Flächenland zu vergleichen ist." Wenn ein Vergleich zulässig sei, dann der zwischen "strukturgleichen" Großstädten ab einer bestimmten Einwohnerzahl. "Betrachtet werden sollten eher Städte mit vergleichbarem Urbanitätsgrad und gleicher Tatgelegenheitsstruktur."

Ganz anders argumentiert der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK): "Die Kriminalpolizei ist von der Bekämpferin zur Verwalterin von Straftaten verkommen", kritisierte BDK-Landeschef Jan Reinecke. Schuld trage die Innenpolitik, die mehr auf polizeiliche Präsenz als auf Strafverfolgung setze. "Alle an der Strafverfolgung beteiligten und voneinander abhängigen Institutionen: die Kriminalpolizei, die Staatsanwaltschaft und die Gerichte, werden seit Jahren von der Politik in ihren personellen und materiellen Ausstattungen vernachlässigt." Dies erkläre die miserable Aufklärungsquote. Was Reinecke meint: Im Vergleich der Gesamtaufklärungsquoten aller Länder liegt Hamburg laut der vom Bundeskriminalamt in Wiesbaden veröffentlichten Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) abgeschieden auf dem letzten Platz.

Mit 43,9 Prozent Aufklärungsquote werden in Hamburg genau zehn Prozent weniger Straftaten aufgeklärt als im Bundesdurchschnitt. Selbst Berlin schafft einen Prozentpunkt mehr. Die Polizei allerdings betont, dass die Aufklärungsquote allein keine Aussage über den polizeilichen Erfolg oder Misserfolg zulasse, sondern eher die Zusammensetzung von Kriminalität in einer Stadt oder einem Bundesland reflektiere. Städte wie München, Stuttgart oder Frankfurt, mit einem hohen Anteil an sogenannten Kontrolldelikten (die eine knapp 90-prozentige Aufklärungswahrscheinlichkeit aufweisen), darunter fallen der Ladendiebstahl oder Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, und einem nur geringen Anteil an schwerer Diebstahlskriminalität, der deutlich seltener aufgeklärt werde, wiesen entsprechend eine hohe Aufklärungsquote auf.

Anders die Situation in Hamburg, Berlin und Bremen, aber auch den Ballungsräumen in Nordrhein-Westfalen, wo mit einem hohen Anteil an schweren Diebstahlsdelikten auch niedrigere Aufklärungsquoten verzeichnet werden. Die Hamburger Polizei will in den kommenden Monaten insbesondere beim Wohnungseinbruch mit einer neuen Sonderkommission Druck machen. Verantwortlich ist die ehemalige Leiterin der Sondereinheit Mobiles Einsatzkommando (MEK), Kriminaloberrätin Alexandra Klein. Mehrere Kripobeamte, ein Zug der Bereitschaftspolizei und das MEK, insgesamt 80 Frauen und Männer, sollen künftig zusammen Einbrecher jagen. Es wird eine schwierige Aufgabe, das zeichnet sich bereits jetzt ab: So konnten in den ersten vier Monaten dieses Jahres so wenige Wohnungseinbrüche wie seit Jahren nicht mehr aufgeklärt werden, insgesamt nur drei Prozent, was sich sicherlich auch in der Jahresbilanz 2015 widerspiegeln wird. Und es kommt noch schlimmer. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der Einbrüche weiter massiv an: um zehn Prozent.

http://www.welt.de/regionales/hamburg/article141590636/In-Hamburg-haben-Straftaeter-leichtes-Spiel.html 

 

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