Queeres Leben in Sicherheit!

27.07.2023

Anhörung „Queeres Leben in Sicherheit! Gemeinsam gegen queerfeindliche Gewalt. Veranstaltung der SPD im Landtag von Baden-Württemberg im Vorfeld des CSD Stuttgart.
Queeres Leben in Sicherheit!

Mehrere Dinge bleiben im Gedächtnis. Da ist das Eingangsstatement einer Russin, die aus Russland geflüchtet ist und inzwischen in Deutschland lebt. Sie war und ist Aktivistin und setzt sich, jetzt aus dem Exil, im Themenfeld Transgender in Russland ein. Die Lage habe sich seit dem Krieg gegen die Ukraine nochmals verschlechtert und neue, aktuelle Gesetze verschärfen die Lage gerade massiv.

Zum Zweiten die Aussage eines Anwesenden in der Fragerunde, der sich vor vielen Jahrzehnten bereits geoutet hat und sagt, inzwischen möchte er in Stuttgart nicht mehr Händchen haltend mit seinem Partner spazieren gehen. Das Klima habe sich die letzten Jahre stark geändert. Die Sorgen sind auch in Stuttgart groß.

Es gab gute Redebeiträge von Andreas Stoch (MdL), Florian Wahl (MdL) und Detlef Raasch, der stark in die Vorbereitungen des CSD Stuttgart am Samstag 29.07.2023 eingebunden ist. Mit einer Rekordanmeldung von 131 Gruppen (zuletzt rund 90) soll das Fest farbenfroh und fröhlich werden – aber es ist auch eine politische Veranstaltung. „Nicht mit uns! Gemeinsam sicher und stark.“ lautet das diesjährige Motto und zielt genau auf die Themen Queerfeindlichkeit, aggressive Stimmung, Übergriffe, Straftaten gegen Menschen der queeren Community ab.

Die Veranstaltung im Landtag wollte ebenfalls Aufmerksamkeit auf das Thema lenken, nachdenklich machen. Mit Innenminister Michael Ebling (aus dem Bundesland Rheinland-Pfalz), Prof. Eddie Bruce-Jones aus London und einer anschließenden Podiumsdiskussion unter Einbindung von Sascha Binder (MdL), Janka Kluge (Netzwerk LSBTTIQ) sowie Polizei-Kollege Thomas Ulmer (VelsPol) war die Veranstaltung auch sehr informationsgeladen.

In unserem Aufgabenfeld als Berufsverband der Kripo sind es vier Punkte, die wir gerne mit voranbringen wollen und bei denen wir auch fachlich mitsprechen können:

  1. Die Verbesserung der Erkenntnislage bei der Polizei mit dem klaren Aufruf alle Straftaten zur Anzeige zu bringen. Wir werben als Berufsvertretung der Kripo für Vertrauen in die Polizei und Justiz. Wir appellieren an die Community, erstatten Sie bei uns, bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft Anzeige! Ziehen Sie sich nicht zurück!
  2. Die Verbesserung der Erfassung und Zuordnung queerfeindlicher Straftaten bzw. Motive. Bislang verweise das Innenministerium BW darauf, dass es einer bundesweiten Lösung bedarf. Auf der anderen Seite gibt es bereits Bundesländer wie Berlin, die entsprechende Merker für die Erfassung von Straftaten eingeführt haben. Innenminister Ebling stellte zumindest einige Lichtblicke aus der Innenministerkonferenz dar. Aber BW könnte auch jetzt schon aktiv werden!
  3. Das Dunkelfeld sollte weiter ausgeleuchtet werden. Ähnlich wie im Themenfeld Cybercrime soll sich das Dunkelfeld bei queerfeindlichen Straftaten bei etwa 90 % bewegen. Damit sind die polizeilich erfassten Straftaten (Hellfeld) nur die kleine Spitze des Eisberges. Der BDK BW fordert seit Jahren in allen (sinnvollen) Bereichen ergänzende Dunkelfelderhebungen und -studien, die neben der PKS in die Lagebewertung einfließen. Das ist hier der Fall!
  4. Den Ausbau von Ansprechpersonen für die LGBTIQ*-Community. Kollege Ulmer, der seit vielen Jahren für VelsPol aktiv ist, stellte dar, dass in allen Präsidien Ansprechpersonen eingerichtet sind. Dies mit dem Schwerpunkt, dienststellenintern tätig zu sein – allerdings haben sich die Aufgaben zuletzt erweitert. Diesbezüglich wäre bereits seit mehreren Jahren eine ergänzende Dienstvereinbarung in Vorbereitung im Innenministerium. Zudem wies Kollege Ulmer darauf hin, dass die Funktion landesweit nur als Nebenamt vergeben ist. Mindestens in unseren großen Städten sollte darüber nachgedacht werden, Stellenanteile für die Arbeit einzuplanen oder ganze Stellen dafür vorzusehen.

Nachdem sich der BDK-Bundesverband bereits 2022 mit den Themen (zusätzliche) Ansprechpersonen für die LGBTIQ*-Community bei der Polizei sowie weitere Verbesserung der Aus- und Fortbildung beschäftigt hat, diskutierten wir auch im geschäftsführenden BDK-Landesvorstand darüber. Kollege Ulmer bestätigte bei der jetzigen Veranstaltung unsere Bewertung, dass es um die Aus- und Fortbildung in BW gut steht. Im Bereich Personal könnte es aus seiner Sicht besser sein – aber über die miserable Polizeidichte und das knappe Personal schreiben wir ja quasi im Wochentakt.

Wir waren und sind als BDK der Auffassung – und haben die klare Erwartung: Jede Polizeibeamtin und jeder Polizeibeamte muss allen Menschen mit Respekt begegnen. Eine Anzeigenaufnahme und die Sachbearbeitung muss bei allen Menschen professionell und neutral (im Sinne einer Gleichbehandlung) erfolgen. Wenn diese Arbeit durch speziell geschultes Personal unterstützt wird, dann ist das zu begrüßen – aber wir erwarten das von allen.

 

In diesem Sinne wünschen wir den Veranstaltungen am Wochenende in Stuttgart eine tolle Resonanz, ein friedliches und schönes Fest und die Aufmerksamkeit, die das Thema "Queeres Leben in Sicherheit!" verdient.

 

 

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