Weitere Niederlage der Landesregierung vor dem OVG Münster

24.02.2017

Auch das Oberverwaltungsgericht NRW hält die Neuregelung zur Frauenförderung in NRW für verfassungswidrig
Weitere Niederlage der Landesregierung vor dem OVG Münster
Foto: Thorben Wengert / pixelio.de

Mit dem § 19 Abs. 6 Satz 3 des Landesbeamtengesetzes n. F. hatte der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber eine Regelung durchgesetzt, die angeblich der „Frauenförderung“ dienen sollte, die aber von Anfang von vielen als verfassungswidrig kritisiert wurde. Die Regelung, nach der bei Auswahlentscheidungen Kriterien von Eignung, Leistung und Befähigung teilweise umgangen und zugunsten der Frauenförderung keine Berücksichtigung mehr finden sollen, verletzen nach Ansicht der Kritiker das Prinzip der Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz.

Auch der BDK NRW äußerte von Beginn an erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift und unterstützte entsprechende Klagen männlicher Mitbewerber. BDK-Anwalt Mark Fröse erstritt am 7. September 2016 im Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf einen Beschluss, in dem das VG Düsseldorf die Vorschrift erstmals als verfassungswidrig bezeichnete und eine Beförderung auf der Basis des § 19 Abs. 6 Satz 3 LBG untersagte. Weitere Verwaltungsgerichte (Aachen, Arnsberg, Gelsenkirchen) folgten. Der Landesgesetzgeber, der bei so viel justizieller Schelte gut daran getan hätte, sein Gesetz entsprechend zu überarbeiten, legte Beschwerde beim OVG Münster ein. Dort wurde die Beschwerde nun vom 6. Senat zurückgewiesen. Auch das OVG führt in seinen Beschlüssen vom 21.Februar 2017 (6 B 1102/16 und 6 B 1109/16) aus, dass der gewählte Weg der Frauenförderung mit Art. 33 Abs. 2 GG unvereinbar sei. Der ebenfalls mit Verfassungsrang ausgestattete Auftrag, eine tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen zu verwirklichen, sei vielmehr auch unter Wahrung des Prinzips der Bestenauslese umzusetzen. Das OVG jedenfalls sieht im Grundsatz keinen Widerspruch zwischen den grundrechtlichen Gewährleistungen in Art. 3 Abs. 2 GG und Art. 33 Abs. 2 GG. Es führt aus, dass der Qualifikationsvorsprung vieler Männer oft das Ergebnis einer meist unterbrechungslosen Berufsvita sei während es bei Frauen wegen mangelhafter Vereinbarkeit von Beruf und Familie vielfach zu Unterbrechungen von Dienstzeiten und Reduzierung der Arbeitszeit komme. Auch darauf sei bei dienstlichen Beurteilungen angemessen Rücksicht zu nehmen. Das OVG gibt damit zu erkennen, dass Frauenförderung sich eben nicht darauf beschränken kann, Frauen nur wegen ihres Geschlechtes bevorzugt zu befördern, sondern vielmehr darin bestehen muss, bereits im Vorfeld von Beförderungsentscheidung gleiche Voraussetzung für Frauen und Männer zu schaffen und die relevanten Umstände des Einzelfalles wie tatsächlich bestehende Doppelbelastungen in Beruf und Familie individuell zu berücksichtigen.

Der BDK NRW hatte bereits im vergangenen Jahr darauf hingewiesen, dass die Landesregierung es versäumt habe, die wahren Probleme der Frauenförderung aufzugreifen. Im Zusammenhang mit der umstrittenen Regelung zur Frauenförderung hieß es:

„Dabei wehrt sich niemand, erst recht nicht der BDK, gegen eine Politik der Frauenförderung. Die Landesregierung hat es allerdings versäumt, die wahren Probleme aufzugreifen. Die nämlich liegen u. a. darin, dass die Anwesenheit am Arbeitsplatz in der Praxis regelmäßig zu einem faktischen Beurteilungsmaßstab wird. Eltern- und Teilzeit werden damit zum Karriererisiko. Das gilt allerdings auch für die männlichen Kollegen, die diese Möglichkeiten zunehmend in Anspruch nehmen. Das ist auch politisch und gesellschaftlich so gewollt. Sie allerdings werden durch dieses Gesetz gleich doppelt bestraft. Das ist Demotivation in hoher Potenz.“ - und weiter: „Die Landesregierung hat sich und der Polizei mit diesem Gesetz einen Bärendienst erwiesen. Die eigentlichen Probleme der Frauenförderung werden damit nicht gelöst, sehr wohl aber neue geschaffen. Hier wurde auf dem Rücken von Kolleginnen und Kollegen Symbolpolitik betrieben, um vermeintliche politische Erfolgsmeldungen zu generieren.“ (der kriminalist 9/2016, Seite 43)

Rechtsanwalt Mark Fröse zu den OVG-Beschlüssen: „Damit steht also die Rechtsmeinung des Oberverwaltungsgerichts fest. Es handelt sich aber weiterhin „bloß“ um Eilentscheidungen; dem Oberverwaltungsgericht kommt keine Verwerfungskompetenz – also die rechtliche Möglichkeit, ein Gesetz aufzuheben – zu.“

Die Hoffnung, der Landesgesetzgeber werde nun Vernunft walten lassen, wird sich indes nicht erfüllen. Emanzipationsministerin Barbara Steffens und Innenminister Jäger haben für die Landesregierung bereits den Gang zum Verfassungsgerichtshof angekündigt. Somit werden viele Kolleginnen und Kollegen weiter und auf nicht absehbare Zeit auf ihre verdienten Beförderungen warten müssen.

Die Entscheidung der Landesregierung ist gleich auf mehrfache Weise abenteuerlich:

Die Landesregierung strebt nun ein „Normbestätigungsverfahren“ vor dem Verfassungsgerichtshof in Münster an.

Der FDP-Antrag zur Einreichung einer „Normenkontrollklage“ - de facto identisch - jedoch wurde erst am 16. Februar in einer namentlichen Abstimmung im Landtag mit den Stimmen der Abgeordneten der SPD, der Grünen - vermutlich also auch der beiden o. g. Minister - abgelehnt. Die CDU-Abgeordneten hatten sich mit der Begründung enthalten, es handele sich lediglich um einen Symbolantrag, da mit einer Entscheidung vor der Wahl nicht mehr zu rechnen sei.

Das Verhalten von rot-grün - aber auch das der CDU - wirft eine Reihe von Fragen auf. Vor allem aber ist das Agieren der Landesregierung mindestens unredlich. Im Rahmen der erstinstanzlichen Verfahren von den Verwaltungsgerichten erklärte die Landesregierung „Musterverfahren“ führen zu wollen; d. h. ca. 80 Verfahren sollten gegen Kostenübernahme durch das Land nicht weiter betrieben werden, da die fortgeführten Verfahren eine „musterhafte“ Bedeutung haben sollten. Hierzu gab die Landesregierung vor den Gerichten die jeweils gleichlaufende Prozesserklärung ab:

„Die Landesregierung betreibt Musterverfahren vor dem OVG NRW, um die in erstinstanzlichen einstweiligen Anordnungsbeschlüssen zu § 19 Abs. 6 LBG NRW n. F. geäußerten Rechtszweifel zu klären.“

Wie wir nun feststellen müssen, war diese Prozesserklärung der Landesregierung augenscheinlich falsch. Die Klärung der Rechtszweifel, die das OVG herbeigeführt hat, sollte offenbar nur in dem Fall akzeptiert werden, in dem das OVG die Rechtsauffassung der Landesregierung bestätigt hätte.

Dass ein schlecht gemachtes, verfassungswidriges Gesetz und eine angebliche Frauenförderung, die keine ist, aus wahltaktischen Gründen aufrechterhalten werden geht zu Lasten hunderter Kolleginnen und Kollegen bei der Polizei und in der Finanzverwaltung. Man sollte meinen, dass allen Beteiligten klar sein sollte, dass in diesen Zeiten eine derartige Demotivation der Polizei tunlichst vermieden werden sollte.

In dem Zusammenhang: Aufgrund des mickrigen Tarifabschlusses und des 0,2%igen Abzuges erwarten wir von der Landesregierung eine auch zeitliche eins-zu-eins-Übernahme des Tarifergebnisses zum 1. Januar 2017.